Der Mensch ist ein Mensch.

Hommage 2024: Petra Lataster-Czisch und Peter Lataster

 

Regieduo Petra Lataster-Czisch und Peter Lataster © Lataster&Films

 

Der einzelne Mensch und der unbedingte Glaube an ihn sind die Leitmotive der Arbeit von Petra Lataster-Czisch und Peter Lataster. Ihr Sinn für die Bedeutsamkeit des Alltäglichen führt sie nicht zu den großen Dramen und Schauplätzen, sondern ganz nah heran an die menschliche Existenz. 

Seit über drei Jahrzehnten macht das Ehepaar gemeinsam Filme. Nachdem sie sich Mitte der 1970er Jahre in der Küche des Student*innenwohnheims in Potsdam kennenlernen, wo sie beide an der Filmhochschule Konrad Wolf studieren, sind die Anfänge ihrer Zusammenarbeit geprägt vom Ende der DDR, in der Petra aufgewachsen war. So erzählt etwa TALES OF A RIVER von den Auswirkungen der deutschen Wiedervereinigung auf das Leben der Bürger*innen in Petras Heimatstadt Dessau. „Wir mussten unser Weltbild neu definieren, und dafür ist der Film ein außerordentlich geeignetes Mittel“, so Petra in einem Interview mit dem Filmjournalisten Jan Pieter Ekker. 

Behutsam nähern sich die Latasters der Zerbrechlichkeit des Lebens in NOT WITHOUT YOU, dem Porträt der Eltern von Peter, oder während sie in IF WE KNEW Kinderärzt*innen in einer Frühchenstation begleiten. In MISS KIETS CHILDREN und JEROEN, JEROEN widmen sie sich dem großen Thema der Integration – auf die denkbar empathischste und persönlichste Art und Weise. 

Die vertrauensvolle Beziehung zu ihren Protagonist*innen, der sensible Umgang mit ihnen, ein präziser Blick durch eine aufmerksame Kameraarbeit und eine zurückhaltende Montage zeichnen das Werk von Petra Lataster-Czisch und Peter Lataster aus. Ihre gemeinsamen Filme führen uns mitten ins Leben und in all ihren Werke scheint eines durch: ihre konsequent humanistische Haltung. 

Samay Claro und Daniel Sponsel

 

MISS KIET’S CHILDREN © DOK.fest München

Die Filme

IF WE KNEW
Niederlande 2007, Petra Lataster-Czisch, Peter Lataster, 75 Min.

„The most important thing is that the child has to have a prospect of a good life.“ Was dieses „gute Leben“ auf der intensivmedizinischen Frühchenstation der Universität Groningen bedeutet, dem nähert sich IF WE KNEW behutsam an. Wir erleben, wie nah Geburt, Leben, Agonie und Tod beieinander liegen und wie der Alltag der Mediziner*innen aussieht – geprägt durch existenzielle Entscheidungen, die sie täglich und teils binnen Minuten treffen müssen.

 

JEROEN, JEROEN
Niederlande 2011, Petra Lataster-Czisch, Peter Lataster, 73 Min.

Jeroen ist 15, ein schlaksiger Junge, der nicht weiß, wohin mit seiner Energie. Er hat Autismus und ist eine Herausforderung für seine Pfleger*innen und seine Mutter. Sagt man ihm, was er tun und lassen soll, macht er genau das Gegenteil. Wie wird es weitergehen, wenn er älter wird? Dem Regie-Duo gelingt mit seiner sensiblen Beobachtung des Alltags von Jeroen und seinem Umfeld ein liebevolles Plädoyer für das Leben ohne Wenn und Aber.

 

MISS KIET’S CHILDREN
Niederlande 2016, Petra Lataster-Czisch, Peter Lataster, 115 Min.

Miss Kiet arbeitet als Grundschullehrerin in einem kleinen niederländischen Dorf. Ihre Klasse ist eine Integrationsklasse, in der traumatisierte Flüchtlingskinder versuchen, eine neue Sprache zu lernen, die westliche Gesellschaft zu verstehen und in einem neuen Leben anzukommen. Ein berührender und sensibel beobachtender Film, immer auf Augenhöhe der Kinder, die einem schnell ans Herz wachsen.

 

NOT WITHOUT YOU
Niederlande 2010, Petra Lataster-Czisch, Peter Lataster, 85 Min.

Eine Liebesgeschichte: Er kann sich nur mit Mühe bewegen, ist schwerhörig. Sie vergisst alles und wird bald sterben. Was tun, wenn alles vergebens scheint, der körperliche und geistige Verfall voranschreitet? Weitermachen und sich in Liebe an gemeinsame Zeiten erinnern – das ist die Devise des holländischen Künstlerpaares Ger Lataster und Hermine van Hall, denen Sohn Peter ein liebevolles Doppelporträt widmet.

 

TALES OF A RIVER
Niederlande 1994, Petra Lataster-Czisch, Peter Lataster, 85 Min.

„Ich hätte sonst sicher nichts anderes mehr gemacht in meinem Leben.“ Ohne zu werten schlängelt sich der Film durch das Dessau der Nachwende, zeigt Bauhausbauten neben leerstehenden Fabrikgebäuden, lässt Menschen zu Wort kommen, die alles verloren haben und jene, die schier „explodiert“ sind, weil sie endlich eine Chance bekamen. Eine lakonische Hommage an Dessau und seine Geschichte.

Die Hommage beim Festival

Die Filme der Hommage werden im Rahmen des 39. DOK.fest München im Mai 2024 präsentiert:

02. bis 12. Mai an den Münchner Spielorten
06. bis 20. Mai @home

 

Im Rahmen der Hommage wird außerdem am Sonntag, 05. Mai, eine Masterclass mit Petra Lataster-Czisch und Peter Lataster gehalten. Im Gespräch mit den beiden geht Filmemacherin Rebecca Zehr auf eine Spurensuche, wie diese Nähe überhaupt entstehen kann, was Vertrauen auf einem Film-Set bedeutet und wie Privates und Berufliches sich vermutlich nie ganz trennen lässt. Die Masterclass findet auf Deutsch statt.