Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts

 

LIEBE TOD UND D-MARK
Preisträgerfilm 2022 beim 37. DOK.fest München:
LIEBE, D-MARK UND TOD, Deutschland 2022, Cem Kaya © filmfaust und Film Five

 

Das Goethe-Institut ist Botschafter des deutschen Films weltweit. 158 Goethe-Institute in 98 Ländern zeigen die neuesten Entwicklungen der deutschen Filmkunst. Der Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts zeichnet einen herausragenden deutschen Dokumentarfilm des laufenden Jahres aus und ist mit 2.000 Euro dotiert. Ab dem Jahr 2022 wird der Dokumentarfilmpreis im Wechsel auf vier unterschiedlichen Dokumentarfilmfestivals vergeben. Das neue Verfahren startete im Mai 2022 auf dem DOK.fest München und findet nun im Jahreswechsel nach dem Kalendarium auf den Festivals DOK Leipzig, der Duisburger Filmwoche und dem Kasseler Dokfest statt.

 

Preisträgerfilm 2023: EINHUNDERTVIER

Im Oktober 2023 wurde der Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts im Rahmen des seit 2022 neu begonnenen Vergabeverfahrens zum zweiten Mal verliehen. Dieses Jahr fand die Prämierung auf dem DOK Leipzig statt, dem Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm. Der Preisträgerfilm ist EINHUNDERTVIER von Jonathan Schörnig (Deutschland 2023, 93 Min.).

Die tödlichste Fluchtroute der Welt fordert jedes Jahr Tausende Leben. Allein in der ersten Hälfte 2023 starben fast 2.000 Menschen im Mittelmeer, weil die Grenzpolitik der Europäischen Union systematisch geltende Rechte verletzt. Statt Schiffbrüchigen beizustehen, praktiziert Frontex illegale Pushbacks, finanziert das gewaltvolle Vorgehen der libyschen Küstenwache und geht massiv gegen private Seenotrettungsmissionen vor, die dort tätig werden, wo die EU versagt. All das ist medial belegt, und dennoch bleibt es für alle, die diese Situation noch nicht selbst erleben mussten, unbegreiflich: Wie kann man Hunderten Menschen in Todesgefahr Hilfe verweigern, die zivilen Helfenden sogar bedrohen und kriminalisieren?!
Jonathan Schörnig beschäftigte das Dilemma der mangelnden Wahrnehmung und er beschloss, eine Seenotrettung als Echtzeitdokumentation auf die Leinwand zu bringen, um zu zeigen, wie quälend lange es dauert, 104 Personen von einem sinkenden Gummiboot zu bergen. Mensch für Mensch, Schritt für Schritt begleitet der Film die Aktion mit mehreren parallelen Kameras. Mit dem Auftauchen der libyschen Küstenwache spitzt sich die Lage zu. Tagelang harren die Geretteten und die Crew auf hoher See aus, da kein Mittelmeerland ihnen erlaubt anzulegen. Erst nach einem schlimmen Sturm erbarmt sich ein Hafen. Was wie ein schlechtes Drehbuch klingt, ist tatsächlich – tägliche – Realität. (Luc-Carolin Ziemann, DOK Leipzig)

Jury 2023

Der Jury gehörten die folgenden Filmexpert*innen an: Cem Kaya, Preisträger 2022, Noni Lickleder, Goethe-Institut Zentrale München, Renata Prokurat, Goethe-Institut Warschau/Polen

Weitere Informationen

Preisträgerfilm 2022: LIEBE, D-MARK UND TOD

Im Mai 2022 fand die Vergabe des Dokumentarfilmpreises des Goethe-Instituts zum zweiten Mal statt und der Preis ging auf dem 37. DOK.fest München an LIEBE, D-MARK UND TOD von Cem Kaya (Deutschland 2022, 96 Min.).

Eine genau recherchierte, lebendige und augenöffnende Tour de Force durch mehr als ein halbes Jahrhundert deutsch-türkischer Geschichte: Die türkischen Gastarbeiter*innen brachten ihre Musik mit nach Deutschland.  „Warum wurden wir getrennt? Der grausame Zug in ein fremdes Land hat dich von mir weggerissen...“. Fremd und allein gelassen, diskriminiert und ausgebeutet in einem Land, das Hoffnung und Zukunft sein sollte. Die Situation der Gastarbeiter*innen war prekär. Die eigene Musik zu hören war Ablenkung und Trost, hatte aber auch immer eine politische Dimension. Auflehnung und Protest waren wichtige Inhalte. Ein großer musikalischer Reichtum entsteht komplett unter dem Radar der deutschen Öffentlichkeit, eine Kultur mit eigenen Stars, Labels und Kassettenläden, die heute in der zweiten und dritten Generation angekommen ist. Welch unbemerkter Reichtum!

Jury 2022

Der Jury 2022 gehörten Ameer Masoud (Kulturvermittler, Architekt und Künstler), Diana El Jeiroudi (Dokumentarfilmregisseurin und Preisträgerin des Dokumentarfilmpreises des Goethe-Instituts 2021) und Eva Lautenschlager (Beraterin im Bereich Film Fernsehen Hörfunk des Goethe-Instituts) an. Weiterlesen

Aus der Jurybegründung: „Ein Film überzeugte die Jury besonders mit seiner beeindruckenden und profund recherchierten Geschichte, in der sich unzählige Menschen weltweit wiedererkennen werden. Ein Film voller Energie und Rhythmus, Reflexion und Emotion gleichermaßen. Dem Filmemacher gelingt es, die Geschichte der türkischen Migration nach Deutschland und ihren Beitrag zu diesem Land über die Musik erfahrbar zu machen und anzuerkennen.“

Die Nominierten 2022

ALICE SCHWARZER 
Österreich/Deutschland 2022, Sabine Derflinger, 135 Min.

Alice Schwarzer hat wie keine andere Frau den feministischen Diskurs in Europa seit den 1970ern geprägt. Sie initiierte unzählige Kampagnen, ist nie um einen Konflikt verlegen und steht nicht selten im Zentrum kontroverser Debatten. Wer ist diese Frau und was treibt sie an? Ein radikal subjektives Porträt einer Charismatisch-Unerschrockenen inmitten ihrer Mitstreiterinnen.

 

ANIMA – DIE KLEIDER MEINES VATERS 
Deutschland 2022, Uli Decker, 94 Min.

Durch ein auf dem Sterbebett des Vaters enthülltes Familiengeheimnis kann sich Uli Decker ihrem Vater endlich annähern. Sie nimmt uns in ihrer intimen wie lebensbejahenden, preisgekrönten Familiensaga mit auf eine Reise durch ein von starren Rollenbildern geprägtes Leben in Oberbayern, das die Verständigung von Vater und Tochter zeitlebens verhinderte.

 

BERLIN BYTCH LOVE
Deutschland 2022, Heiko Aufdermauer, Johannes Girke, 86 Min.

Die Jugendlichen Sophie und Dominik leben die große Liebe auf der Straße. Sie schlafen in Hauseingängen, streifen durch Berlin und treffen sich mit Freund*innen. Doch ihr Glück ist nicht ungetrübt, denn Dominik droht eine Haftstrafe. Als Sophie schwanger wird, sehnen die beiden sich nach einer eigenen Wohnung. Episch und unfassbar nah dran, ohne zu werten. 

 

DEAR MEMORIES – EINE REISE MIT DEM MAGNUM-FOTOGRAFEN THOMAS HOEPKER 
Deutschland/Schweiz 2021, Nahuel Lopez, 98 Min.

Resignation? Niemals. Solange Thomas Hoepker eine Kamera in der Hand und seine Frau an seiner Seite hat, bleibt der berühmte deutsche Magnum-Fotograf trotz heranschleichender Demenz guten Mutes. Einen großen Traum gilt es noch zu erfüllen, eine letzte Bildgeschichte zu erzählen! Eine bewegende Reise quer durch die USA und mitten ins Herz eines bedeutenden Künstlers.

 

DIE AUTOBAHN – KAMPF UM DIE A 49
Deutschland 2022, Klaus Stern, Frank Marten Pfeiffer, 86 Min.

Die A 49 durch den Dannenröder Forst spaltet seit über 40 Jahren die Bevölkerung vor Ort. Drei Generationen konnten durch ihren Protest den Ausbau bis jetzt verzögern. Aber wie lange noch? Die Urteile sind gefällt, der Wald nun von Aktivist*innen besetzt und die Polizei bereitet sich bereits auf die Räumung vor, um den Weg für die Maschinen freizumachen.

 

EUROPA PASSAGE
Rumänien/Deutschland 2021, Andrei Schwartz, 90 Min.

Maria, Tirloi und ihre Verwandten haben keine Wahl: in ihrem rumänischen Roma-Dorf gibt es keine Arbeit. Um zu überleben und ihre Familien zuhause zu versorgen, betteln sie in Hamburg. Fünf Jahre lang begleitet Andrei Schwartz sie mit Respekt und Wertschätzung und zeigt uns Menschen voller Würde, die nicht aufgeben, egal wie schwierig ihre Lage ist.

 

KALLE KOSMONAUT
Deutschland 2022, Tine Kugler, Günther Kurth, 99 Min.

Kalle will was erreichen. Ein „Ghetto-Kind, ein Kind, was nur Scheiße baut und Drogen nimmt...“, das will er nicht sein. Und doch meint es das Leben nicht gut mit ihm. Körperverletzung mit 16 – die Tat verändert alles. Der Film folgt Kalle durch die Irrungen und Wirrungen seines Erwachsenwerdens und beobachtet ihn über eine Dauer von 10 Jahren.

 

PREISTRÄGER 2022:

LIEBE, D-MARK UND TOD
Deutschland 2022, Cem Kaya, 96 Min.

Als die türkischen Gastarbeiter*innen in Deutschland ankommen, entwickelt sich außerhalb der türkischen Gemeinschaft völlig unbemerkt eine vielfältige Musikkultur mit eigenen Stars, Kassettenlabels und erfolgreichen Songs, die das schwierige Ankommen in Deutschland widerspiegeln. Ein dicht und akribisch recherchierter Filmessay. Eine Offenbarung.

 

PORNFLUENCER
Deutschland 2022, Joscha Bongard, 74 Min.

Nico sprach Jamie einst im H&M an. Heute leben beide in einem schmucklosen Haus im Steuerparadies Zypern. Jeden Tag Sex. Sie nennen sich „Jamie Young/Youngcouple9598”, machen Pornos, die sie ins Netz stellen und haben damit ein Vermögen gemacht. Der Film taucht in die Gedankenwelt der beiden Protagonist*innen ein und zeigt uns ihr Leben – doch wie sieht es hinter der Fassade aus?

 

SORRY GENOSSE
Deutschland 2022, Vera Brückner, 94 Min.

Ex-Ost, Ex-West, der Kalte Krieg und die große Liebe. Wie war das? Wie hat sich das angefühlt? Es gibt Filme, die setzen auf Bilder und Archive. Und dann gibt es die Filme, die das Ganze kurzerhand und mit viel Spaß am Detail einfach nachbauen. Ein Film als Grenzgänger, der mit augenzwinkerndem Humor vor allem eins ist: Eine große Liebesgeschichte.

Preisträgerfilm 2021: REPUBLIC OF SILENCE

Im Herbst 2021 wurde der Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts an den Film REPUBLIC OF SILENCE (Arabische Republik Syrien/Deutschland/Frankreich/Italien/Qatar 2021, 181 Min.) von Diana El Jeiroudi im Rahmen des Internationalen Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm vergeben.

Mit einem radikalpersönlichen Blick montiert die Regisseurin unterschiedliche Fragmente aus ihrem Leben zu einem intimen filmischen Tagebuch. Dabei erlaubt sie uns einen Einblick in die konflikthafte Geschichte Syriens der letzten 40 Jahre, der die stereotyp medial vermittelten Bilder überschreibt und so einen alternativen Zugang erlaubt. Kompromisslos setzt sie die Zuschauer*innen ihren Verletzungen und Traumata, aber auch der Gewalt des Krieges aus. In einer virtuosen Montage verwebt sie die vielfältigen Möglichkeiten, die das Medium Film hergibt. Ein Plädoyer an die Weltöffentlichkeit, hinzuschauen und vor Krieg und Diktatur nicht zu schweigen.

Jury 2021

Die Jury 2021 bestand aus Filmexpert.innen des Goethe Instituts: Marina May, Maren Willkomm (beide Zentrale des Goethe-Instituts in München) und Julian Volz (Goethe-Institut Belgien).