DER UNZUGEHÖRIGE. PETER WEISS - LEBEN IN GEGENSÄTZEN

Deutschland 2003 – Regie: Ullrich H. Kasten – Originalfassung: deutsch, schwedisch

Unzugehoerige_1.jpg

Fluchtpunkte, Ortswechsel, Schreiben. Peter Weiss (1916-1982) fühlte sich ein Leben lang als Außenseiter: In der Familie, der Gesellschaft, in literarischen und politischen Bewegungen - wie die Gestalten seiner Werke: dem Welterfolg Marat/Sade, Trotzki im Exil, Hölderlin, Kafka.

Die Anfänge dieser Entwurzelung, seiner Unzugehörigkeit, liegen in der Kindheit: als Sohn eines Ungarn jüdischer Abstammung mit tschechoslowakischem Pass und einer Schweizerin zieht er früh von Nowawes nach Bremen und zurück nach Berlin. Er ist der "Ausländer" in seiner Klasse. Mit den Eltern emigriert er über England und Böhmen nach Schweden, ohne Halt in dem, was andere "Heimat" oder "Vaterland" nennen. In der Familie selbst herrscht "gähnende Leere", eine Lieb- und Beziehungslosigkeit besonderer Art.

Nach dem frühen, schockierenden Tod der Schwester sucht Weiss inneren Halt in der Kunst. Er malt apokalyptische Bilder. Hermann Hesse wird sein erster Mentor, bei Kafka lernt er den härteren Blick, aber noch entscheidender für sein Selbstverständnis sind Psychoanalyse und Surrealismus, aus denen seine experimentellen Filme hervorgehen. Auch seinen literarischen Anfängen ist dieses Kreisen in sich selbst eigen, dieses tastende Suchen nach Worten, das dem Traum verwandt ist, dem Sprechen im Schlaf.

Erst in den 60er Jahren gerät er mit seinen Stücken Die Ermittlung und Vietnam-Diskurs in den Strudel einer sich politisierenden Welt und begreift seine Kunst als Sprachrogan der gleich ihm nach Selbstbestimmung verlangenden Befreiungsbewegungen in der "Dritten Welt". Doch mit seiner Parteinahme für Außenseiter auch unter den Linken, wie Trotzki, gerät er wieder zwischen die Fronten und bemerkt zudem, wie das politische Theater seine eigene Stimme immer dünner, die Gestalten seienr Dramen immer schemenhafter werden lässt. Er bricht psychisch zusammen und kehrt mit seiner Ästhetik des Widerstands noch einmal an seien Anfänge zurück: Wachsein und Traum, Geschichte und individuelles Empfinden, Realismus und Vision in ungeheuren Spachblöcken verdichtend, die seine Kräfte aufzehren, getragen von der Liebe, der Hoffnung in Gestalt seiner Tochter Nadja. So wird das Politische für ihn das Menschliche in einer unmenschlichen Zeit. (Produktionsmitteilung)

Zeitgleich zum Dok.Fest findet im Literaturhaus der Fernsehwettbewerb LiteraVision statt. Ausgezeichnet werden Filme über Bücher und Autoren, zu denen auch Der Unzugehörige zählt.

Sie sind herzlich eingeladen, an den öffentlichen Jurysitzungen teilzunehmen, Samstag, 8. Mai und Sonntag, 9. Mai, 10 und 14 Uhr. Die Preisverleihung findet am Sonntag, 20.00 Uhr im Literaturhaus statt.

Autor*in: Ullrich Kasten, Jens-Fietje Dwars. Kamera: Andreas Bergmann. Ton: Jürgen Meinel. Schnitt: Katrin Ewald. Produktion: Chronik TV. Produzent*in: Achim Heilmann. Länge: 85 min.

Ullrich Kasten, geb. 1938 in Berlin. Arbeitete von 1962 bis 1991 als Regisseur und Autor beim Deutschen Fernsehfunk der DDR. Seit 1992 Redakteur, Regisseur und Autor beim Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB).

Filme (Auswahl) 1990 Malik - Meine Liebe, 1990 John Heartfield - Er sprach vom Wichtigsten, 1992 Goebbels - Der Schirmherr, 1997 Ihre Uhr ist kaputt oder die Zeit selber, 1998 Eigentlich ist nichts geschehen, 1999 Mein Leben ist so sündhaft lang: Victor Klemperer, Ein Chronist des Jahrhunderts, 1999 Ich liebe, mein Gott - ich liebe: Das kurze Leben der Brigitte Reimann, 2001 Es geschah im August - der Bau der Berliner Mauer, 2003 Der Unzugehörige

Internationales Programm (2002-2009) 2004
So 09.05. 13.00 Filmmuseum
--------------------------
Sa 08.05. 14.00 Literaturhaus Sichtung und Debatte