Retrospektive: 75 Jahre DEFA-Dokumentarfilm

Aus: MARTHA (1978) von Jürgen Böttcher, Bildcredit: DEFA-Stiftung, Wolfgang Dietzel

Die Geschichte der Deutschen Film AG, kurz DEFA, endete 1990 nicht mit dem letzten Film, der für die staatseigenen Filmbetriebe der DDR gedreht wurde. Auch heute noch, über 30 Jahre später, leben die Filme der DEFA – darunter allein 10.000 dokumentarische Beiträge – weiter und wollen immer wieder neu interpretiert werden. Die acht Dokumentarfilme aus fünf Jahrzehnten, die in dieser Retrospektive versammelt sind, bieten einen substanziellen Einblick in das Leben in der Deutschen Demokratischen Republik. Gleichzeitig zeugen sie davon, in welcher Weise Film als ein Medium zur Volksbildung verstanden wurde und auf welchen Wegen die Autorinnen und Autoren ihre Freiräume gesucht und gefunden haben. Daniel Sponsel

In Kooperation mit dem DEFA-Filmverleih Stiftung Deutsche Kinemathek und mit freundlicher Unterstützung von Icestorm Entertainment

1950er

FREUNDSCHAFT SIEGT
DDR 1951, Joris Ivens, Iwan Pyrjew, 96 Min.

Riefenstahl in der DDR? FREUNDSCHAFT SIEGT von Dokumentarfilm-Legende Joris Ivens feiert die Friedensliebe der „freien Jugend“ im Osten und singt dabei ein Loblied auf Josef Stalin. Eindrückliches Dokument einer Verführung

1960er

DIE KINDER VON GOLZOW, Teil 1 bis 3
DDR 1961 ff., Winfried Junge, insg. 57 Min.

Ein Schulleben im Zeitraffer: 1961 begegnet Winfried Junge im kleinen Ort Golzow in Brandenburg erstmals den Kindern, die er über Jahre begleiten sollte. Wir erleben die letzten Tage im Kindergarten, den Aufbruch in den Schulalltag und das Bangen um die Versetzung. Auf dem Höhepunkt, in der 5. Klasse, übernehmen die Kinder selbst die Regie und sammeln Ideen für ihren eigenen Film. So unkonventionell sollte es bei den Dreharbeiten später nie mehr zugehen. Wir präsentieren im Rahmen der Retrospektive drei Teile der Reihe. Mit DIE KINDER VON GOLZOW schuf Winfried Junge die älteste Langzeitbeobachtung der Filmgeschichte, die erst 2007 nach 22 Teilen zum Abschluss kam.

TEIL 1: WENN ICH ERST ZUR SCHULE GEH' (DDR 1961, 13 Min.)
TEIL 2: NACH EINEM JAHR – BEOBACHTUNGEN IN EINER 1. KLASSE (DDR 1962, 15 Min.)
TEIL 3: ELF JAHRE ALT, 3. TEIL (DDR 1966, 29 Min.)

1970er

Gleichberechtigung auf sozialistisch: zwei Perspektiven auf den Alltag von Frauen in der DDR der 70er-Jahre.

SIE
DDR 1970, Gitta Nickel, 30 Min.

In ihrem Film behandelt Gitta Nickel den mühsamen Prozess der Gleichberechtigung der Frau, zeigt die Hürden und Komplikationen, aber auch mögliche Lösungen. Angesiedelt im "VEB Textilkombinat Treff-Modelle Berlin", stellt er Frauen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Funktion, Entwicklung und sozialer Verhältnisse vor. Silberne Taube bei DOK Leipzig 1970


MARTHA

DDR 1978, Jürgen Böttcher, 56 Min.

Martha ist eine 68-jährige Frau, die noch immer auf dem Bau arbeitet. Wir beobachten sie bei der täglichen Arbeit, die Schuttberge in winterlicher Landschaft, das endlos laufende Band, an dem sie den ankommenden Schutt sortiert, frierend und ungeduldig. Es sind Marthas letzte Arbeitstage. Berührende Innenansicht eines proletarischen Lebens und ein Stück DDR-Filmgeschichte auf ORWO-Color.

1980er

LEBEN IN WITTSTOCK
DDR 1984, Volker Koepp, 81 Min.

Ein Stück Alltagsgeschichte der DDR: Elsbeth, Edith und Renate arbeiten Anfang der 80er-Jahre im VEB Obertrikotagen, einem modernen Textilwerk, in Wittstock, Brandenburg. Doch im Alltag lässt der Fortschritt auf sich warten. Und auch mit der Solidarität ist es nicht immer weit her.

Nach dem Mauerfall

VERRIEGELTE ZEIT
Deutschland 1990, Sibylle Schönemann, 94 Min.

Als Sibylle Schönemann 1984 in der DDR verhaftet und später von Westdeutschland „freigekauft“ wird, glaubt sie, mit der Vergangenheit abgeschlossen zu haben. Doch der Fall der Mauer reißt die alten Wunden wieder auf. Der Versuch einer Bewältigung und ein fesselndes Zeitdokument.