BLACK BOX BRD

D 2000 – Regie: Andres Veiel – Originalfassung: Deutsch – Länge: 102 min.

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  • Mo, 08.05.2006
    17.30
    Atelier
    OF

Zwei Leben in Deutschland. Bis in die neunziger Jahre dauert sie, die Machtprobe zwischen Staat und Rote Armee Fraktion. Unerbittlich verfolgt die Staatsmacht ihre Kritiker, die Gesellschaft ist zerrissen. Wolfgang Grams und Alfred Herrhausen stehen für die feindlichen Lager. Der eine rebelliert wie viele seiner Generation gegen das System, gegen Elternhaus und Konsumterror, findet auf der Suche nach Alternativen Kontakt zur militanten Linken und geht in den Untergrund. Der andere steht in den achtziger Jahren an der Spitze der Deutschen Bank, verknüpft Politik mit Geschäft und zählt zu den mächtigsten Männern der Bundesrepublik. 1989 wird Alfred Herrhausen ermordet, 1993 stirbt Wolfgang Grams auf dem Bahnhof in Bad Kleinen. Black Box BRD stellt viele Fragen und sieht genau hin. In sensibel geführten, eindringlichen Interviews lässt Veiel die Überlebenden zu Wort kommen: Herrhausens Witwe, Grams Eltern, die Freunde, die Kollegen. Ein Film über Brüche, Grenzziehungen und erstaunliche Parallelen.

"Ich wollte keine historische Lektion über ein abgeschlossenes Kapitel machen. Black Box BRD ist ein Film über die Gegenwart." Andres Veiel

Preise: Hessischer Filmpreis 2001; Bayerischer Filmpreis 2001; Europäischer Filmpreis 2001; Dokumentarfilm des Jahres, Evangelische Jury 2001; Deutscher Filmpreis 2002

http://www.black-box-brd.de

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Vorsichtig schwebt die Kamera den Main entlang, bis sie vom Weg abkommt und stadteinwärts inmitten der Ansammlung imposanter Wolkenkratzer das ehrfurchtgebietende Hauptquartier der Deutschen Bank ins Visier nimmt - ein Symbol der Macht und der weltweiten Verstrickung von Politik und Geld, die in Deutschland zwischen 1970 und 1998 den gewaltsamen Protest der RAF auslöste. Regisseur und Autor Andres Veiel interessiert sich jedoch nicht für gesichtslose Symbole, sondern für die Menschen dahinter.

Wie in seinem preisgekrönten Vorgänger "Die Überlebenden" beschäftigt Veiel sich auch in seinem neuen Film mit den Lebensentwürfen zweier Verstorbener. Daß es sich dabei um Alfred Herrhausen, den 1989 ermordeten Vorstandssprecher der Deutschen Bank, und das 1993 zu Tode gekommene RAF-Mitglied Wolfgang Grams handelt, lädt den Film mit einer brisanten politischen Dimension und einem beklemmenden Gefühl andauernder Ratlosigkeit auf.

Noch immer ist nicht geklärt, ob Grams tatsächlich an Herrhausens Ermordung beteiligt war. Auch Grams Tod auf dem Bahnhof in Bad Kleinen durch einen aufgesetzten Schuß in den Hinterkopf, offiziell als Selbstmord beschrieben, bleibt ein Rätsel. In "Black Box BRD" maßt sich Veiel jedoch weder an, Erklärungen zu finden, noch Position zu beziehen. In einer Zeit, in der Journalismus häufig mit Sensationsbefriedigung mißverstanden wird, nähert sich der Filmemacher seinem Sujet erfreulich sensibel und taktvoll. In eindringlichen, aber nie aufdringlichen Interviews läßt er die Überlebenden zu Wort kommen: Herrhausens Witwe, Grams Eltern, die Freunde, die Kollegen. Veiel läßt ihnen die nötige Zeit, um das Leben von Alfred Herrhausen und Wolfgang Grams Revue passieren zu lassen. Aus diesen Episoden setzt sich Stück für Stück der Eindruck zweier Menschen zusammen, die gegensätzlicher nicht sein könnten und deren Schicksale trotzdem miteinander verknüpft scheinen. Das ist mal erschütternd, mal entlarvend, aber immer ergreifend. Gleichzeitig gelingt es Veiel und Cutterin Katja Dringenberg, durch eine kluge Montage falsche Sentimentalitäten zu vermeiden. Einsprengsel von Nachrichtenfilmen bringen die Aussagen der Hinterbliebenen in eine zeitgeschichtliche Balance.

Nie geht es Veiel um Täter und Opfer. Indem er Lebenslinien nachzuzeichnen versucht, will er vielmehr Mißverständnisse offenlegen. War Herrhausen ein eiskalter Karrierist, der sich rücksichtslos auf internationalem Parkett durchsetzte, und damit Symbolfigur für die Ausbeutung durch den Kapitalismus? Vielleicht. Er versuchte aber auch die Entschuldung der Dritten Welt zu erreichen und stieß damit auf verhängnisvollen Widerstand in den eigenen Reihen. Und Grams, der wie viele seiner Generation der spießbürgerlichen Enge entfliehen mußte und sich stets in Ideen verbiß, ohne wieder loslassen zu können? War er wirklich bereit, nach den Grundsätzen der RAF Menschenleben gegeneinander aufzurechnen und sein Gewissen auszublenden? Oder war die Verknüpfung dieser beiden so gegensätzlichen Schicksale bloß ein verhängnisvoller Irrtum? Einer, der im politischen Klima der letzten beiden Jahrzehnte vorprogrammiert war? Einer, der auch eine Menge über den Zustand des heutigen Deutschlands aussagt? "Black Box BRD" stellt die richtigen Fragen, drängt aber keine Antworten auf. Schon das macht ihn überaus sehenswert.

Stefan Rogall

Regie ANDRES VEIEL, geb. 1959 in Stuttgart. Studium der Psychologie in Berlin und Regieausbildung am Künstlerhaus Bethanien, u.a. bei Krzysztof Kieslowski. Freier Filmemacher, Autor und Dramaturg seit 1982. Lehraufträge an diversen Filmhochschulen und Universitäten. Für seine Dokumentarfilme vielfach ausgezeichnet, etwa mit dem Europäischen Dokumentarfilmpreis und dem Deutschen Filmpreis. Mehrfacher Preisträger auch beim DOK.FEST München.

Filme 1982 Machbar, 1985 Warum läuft Herr Z. nicht Amok?, 1992 Winternachtstraum, 1993 Balagan (DOK.FEST), 1996 Die Überlebenden, 2001 Black Box BRD (DOK.FEST 2006; BEST.DOKS), 2003 Die Spielwütigen (DOK.FEST 2004), 2005/2006 Der Kick

Kamera: Jörg Jeshel. Ton: Paul Oberle. Schnitt: Katja Dringenberg. Musik: Jan Tilman Schade. Produktion: Zero Film. Produzent*in: Thomas Kufus. Vertrieb: X Verleih AG. Verleih: CENTRAL FILM Vertriebs GmbH.

BEST.DOKS 2006 2006
  • Mo, 08.05.2006
    17.30
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