Zerklüftete Bildnisse, radikale Schnitte - vom Bundesgrenzschutz zur Kunst.

Schöpfung ist für Andreas Kuhnlein ein Gewaltakt, der hilft, etwas im Holz zu finden und freizulegen: Der Oberbayer arbeitet mit der Kettensäge. Mit ihr lärmt er seine Figuren aus dem Holz heraus. Er liebt den unmittelbaren Zugriff, braucht Wut, Angst, Verzweiflung als Antrieb, will sein Innerstes nach außen kehren. Was hat diesen Mann eigentlich zum Berserker gemacht? Kuhnlein war früher als BGS-Beamter an der innerdeutschen Grenze im Einsatz und musste sich in Brokdorf entgegen seiner eigenen Überzeugung mit Anti-Atomkraft Demonstranten prügeln. Anfang der 1980er Jahre bricht er mit seinem bisherigen, bürgerlichen Weltbild, er kündigt und hadert lange Jahre mit sich selbst. Verärgert durch eine Aussage des damaligen Kardinals Josef Ratzinger, sägt er irgendwann die Skulptur Großinquisitor in nur einem Arbeitsgang. Ein Befreiungsschlag. "Die ersten dreißig Jahre meines Lebens hat mich die Kunst gar ned interessiert und auch kein Museum. Aber das hat sich dann zum Guten gewendet." Werke voller Kanten, Furchen und Splitter. Ein feinfühliger Mensch, kein hölzerner.

Kritikerpreis Young Collection, Bremen 2006

"Josephsohn, werden Sie Bildhauer!" empfahl sein Lehrmeister Otto Müller - und Hans Josephsohn hielt sich mit äußerster Konsequenz an diesen Ratschlag. Seit inzwischen mehr als sechzig Jahren folgt der 86-Jährige einem immer gleichen Arbeitsrhythmus. Tagtäglich wächst sein immenses Werk: monumentale Gipsskulpturen und Reliefs. Seit seiner späten Entdeckung bei der Art Basel 2001 und einer Einzelausstellung in Amsterdam gilt er als einer der bedeutendsten Bildhauer der Gegenwart. Die unangepasste Geradlinigkeit seiner Werke begeistert seither private Sammler wie Museen. Matthias Kählin und Laurin Merz begleiteten Josephsohn ein Jahr lang und dokumentierten den Werdegang verschiedener Plastiken von der Skizze über ein ständiges Aufbauen und Zerstören bis zum endgültigen Bronzeguss. Während die frisch aufgetragenen Gipsschichten trocknen, ist Gelegenheit für heiter gelassene Gespräche über Handwerk und Leben. Ein Leben, das ausschließlich von der Kunst bestimmt wurde, seit der 18-jährige Josephsohn wegen seiner jüdischen Herkunft in die Schweiz floh.

"Ich bin 86, warum mach' ich eigentlich so einen Wahnsinn? Ich könnt doch gescheiter spazieren gehen", überlegt der Bildhauer, doch sein verschmitztes Grinsen macht deutlich, dass diese Möglichkeit für ihn nicht in Frage kommt.